Eierschalen und Trümmergold
Ich bin in unterschiedlichen Netzwerken unterwegs – mit Autoren, Lektoren oder Kunstschaffenden und viele von ihnen sind Christen. Unser Wunsch: Dieser wütenden Welt etwas entgegenzusetzen. Wir wollen hoffnungsvoll, friedlich und besonnen sein, doch aktuelle politische Entwicklungen bringen etwas in mir zum Splittern. Meine erwachsenen Söhne haben sich einen Gleichmut zugelegt. Sie wollen sich nicht ständig mit allen Krisen beschäftigen. Manches blenden sie aus und für anderes engagieren sie sich. Gleichmut – auch eine Form von Mut oder gar eine friedvolle Kraft?
Der Welt etwas entgegensetzen
Eine Freundin sagte, dass wir als Christen das Gute und Schöne betonen müssen – darin sei G-tt. Ja, Sonnenaufgänge, Blumen und Schmetterlinge sind schön. Klöster sind friedlich, Tischgemeinschaften tröstlich und singen ist heilsam. Doch unsere Mitwelt ist ambivalent. Wie bekomme ich Krisen und Schönheit, Gewalt und G-tt zusammen? Mir fehlt dieser konstruktive Gleichmut. Während der Künstlertagung Das Rad ging ich durch die Ausstellung. Es gab Bilder in unterschiedlichen Formen, Farben und Größen. Manche waren so bunt, dass ich am liebsten hineingesprungen wäre. Andere hielten mich auf Abstand, weil sie so zart wirkten und eins blinzelte mir entgegen. Es funkelte in Rot, Orange und Gold und reflektierte das Sonnenlicht. Immer wieder ging ich zu diesem Bild. Trümmergold hieß es und Petra Sommerhäuser hatte es erschaffen.
Zuversicht entwickelt ihre Kraft, wenn sie im Zerbruch entstanden ist.
Was auch immer es ist – die Art und Weise, wie du deine Geschichte online vermittelst, kann einen gewaltigen Unterschied ausmachen.
Verbunden im Zerbruch
Ich fragte Petra, ob sie ihr Bild verkauft.
„Nein, es ist ein Unikat. Das bekomme ich nie wieder so hin. Warum spricht es dich an?“
Ich grübelte. Da war diese Ahnung, etwas zu betrachten, was mit meinem Leben zu tun hat. Meine Biografie hat Brüche und der Alltag hat Splitter und trotzdem leuchtet über allem etwas auf, das Himmlisch ist.
„Eierschalen“, sagte Petra. „Ich habe Eierschalen zerbrochen, die Splitter zu einem Bild gelegt und sie farbig gestaltet. Eier sind ein wunderbares Gleichnis, wie erst etwas zerbrechen muss, damit Neues entstehen kann.“
Unser Gespräch war sehr persönlich und ehrlich. Menschenskinder, es tut weh, wenn etwas in unserem Leben zerbricht, aber G-tt ist erst recht im Zerbrochenen, Verlassenen und Gescheiterten.
Trümmergold
Das Schöne ist eine Wohltat. Wir müssen uns Schönheit gönnen. Doch ich glaube, dass Zuversicht ihre Kraft entwickelt, wenn sie im Zerbruch entstanden ist und den Schmerz nicht ausblendet. Wir können dieser Welt mit ihrem Krach und den Gemeinheiten etwas entgegensetzen, weil wir wissen, wie G-tt aus unseren Brüchen Heilsames erschaffen kann. Gnade blitzt zwischen Trümmern auf. Schmerz und Zuversicht. Erde und Himmel. Eierschalen und Trümmergold.
zuerst erschienen in FamilyNEXT 4/25