Einfach schön!

Sie haben es nicht von Geburt an. Sie entwickeln es auch nicht im Kleinkindalter. Es taucht zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr auf und ist mit dem Schamgefühl verbunden: Selbstzweifel.
Dabei ist Scham etwas Gutes, sie schützt uns. Wenn ein Kind sich geniert, muss man es respektieren.
„Stell dich doch nicht so an.“
„Sei nicht so verschämt!“
Das sind keine hilfreichen Kommentare. Im Gegenteil sie verunsichern ein Kind. Die Selbstwahrnehmung schwindet und Unsicherheiten im Umgang mit dem eigenen Körper nehmen zu.

Wenn man ein kleines Kind fragt, ob es sich schön findet, lautet die Antwort meistens: „Na, klar!“ Kinder drehen sich vor dem Spiegel, winkeln den Arm an und zeigen ihre Muskeln. Sie machen Fratzen und Kussmünder. Wenn sie dünn sind, finden sie es lustig, dass man die Rippen zählen kann. Wenn sie dick sind, amüsieren sie sich über die kleinen Rollen. Die Körperform ist Nebensache. Kinder finden einfach nur toll, was man mit dem Körper machen kann. Er kann hüpfen und rollen, sich festhalten und baumeln. Man kann ihn verkleiden und anmalen. Er lässt sich kitzeln und abklopfen, streicheln und schmusen. Der Körper ist wundervoll, weil er so viel ermöglicht.

Doch irgendwann kommt die Zeit, da beginnen Kinder sich und ihre Körper zu vergleichen. Das ist nicht schlimm, aber das Bewerten ist schlimm. Dick ist faul. Dünn ist schön. Weiß ist klug. Schwarz ist wild. Lange Haare sind brav. Kurze Haare sind frech. Weiblich ist dies und männlich ist das. Jede Bewertung wird auf die Persönlichkeit ungelegt. Wir Erwachsenen wissen, wie schmerzlich und belastend solche Urteile sind. Jeder könnte eine Geschichte erzählen, wie andere einen angeblichen Makel kommentiert haben. „Deine Nase ist aber sehr lang. Du hast einen Hintern wie ein Brauereipferd. Deine Beine sind Stelzen oder du hast eine Haut wie ein Streuselkuchen.“

Laut einer Umfrage sind 93 % der Frauen unzufrieden mit ihrem Körper und wollen ihn optimieren - eine erschreckend hohe Zahl. Aber auch wenn es nur 30 % der Frauen wären, sind es zu viele. Wir sehnen uns nach der kindlichen Unbeschwertheit zurück. Mit ihr durfte man alles sein, egal ob Räuberin oder Prinz, Pilotin oder Reiter, Musikerin oder Tänzer. Wir haben uns die Unbeschwertheit austreiben lassen und machen es nicht besser. Wir sind noch nicht frei von Vorurteilen gegenüber Körperformen und Hautfarben, Frauenbildern und Männerstereotypen.

Dabei haben wir nur diesen einen Körper, der uns ermöglich, dieses eine Leben zu leben. Die Zeit ist zu kostbar, um sich mit Optimierungsversuchen und Beurteilungen zu befassen.

Die Kinder dürfen nicht ihre Unbeschwertheit verlieren. Sie müssen wissen, dass ihr Körper (egal in welcher Form) ihnen hilft, ihre Träume zu verwirklichen.


Buchtipp für Erwachsene
„Schön ohne Aber“ – Wie wir von Körperhass zu Körperliebe finden von Eva-Maria Admiral und Annette Friese (Hrsg.)

 

Buchtipp für Kinder
„Liebe Deinen Körper“

von Jessica Sanders und Carol Rossetti (Illust.)